Unternehmensbewertung und Unterhaltsrecht – Vom Fünfer und dem Weggli
Uns erreichte die Frage, wie Unternehmen für Zwecke der Festlegung von Unterhaltszahlungen zu bewerten seien. Die gängige Praxis der Verwaltung sei, den für steuerliche Zwecke ermittelten Wert anzusetzen, also das Praktikerverfahren in der Ausprägung des Kreisschreibens Nr. 28 (KS 28) anzuwenden.
Zunächst gilt auch hier: Der Bewertungszweck bestimmt die Bewertungsmethode. Ein Blick ins Gesetz und die Rechtsprechung zeigt, dass die zivilrechtliche Unterstützungspflicht (Art. 328 Abs. 1 ZGB) auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse abstellt. Allerdings wird nur das Einkommen genauer als das «steuerbare» Einkommen bestimmt. Dass das Vermögen aber ebenfalls nach steuerlichen Grundsätzen – und wenn ja, nach welchen? – bewertet werden soll, ist eine jedenfalls gesetzlich nicht begründbare, einseitige Festlegung der Verwaltung.
Weiter muss die Unterstützungspflicht Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nehmen (bspw. Botschaft zu einer Änderung des Schweizerischen ZGB, 13.101, S. 540). Das für Zwecke der Vermögenssteuer entwickelte Praktikerverfahren i.d.F. des KS 28 dient der rationellen Abwicklung von Massenverfahren und kann anerkanntermassen die nur individuell bestimmbare, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigen (jüngst Widmer/Nazareno/Gautschi, EF 2019, S. 761).
Die Übernahme der Steuerwerte ist also bestenfalls als eine kostengünstige Vereinfachung anzuerkennen. Zwingend ist es u.E. jedoch nicht und so empfiehlt es sich, bei einem Dissens Rechtsrat einzuholen und je nach Lage der Dinge und Werte eine eigene Bewertung vorzulegen.
In jedem Fall ist bei der Berechnung von Einkommen und Vermögen eine doppelte Erfassung zu vermeiden: Die als Einkommen geltenden Dividenden und andere mit der Gesellschafterstellung zusammenhängende Vergütungen (Mieten, Lizenzen etc.) fallen natürlich weg, wenn das leistende Unternehmen verkauft wird. Eine solche Verwertung unterstellt die Bewertung zum «Verkehrswert» ja schon begrifflich. Alles andere ist eine – auch nach Ansicht des Bundesgerichts – «unbekümmerte» Vorgehensweise (BGE 136 III 1 S. 1, E.5), die zu kritisieren ist. Den Fünfer und das Weggli gibt es eben auch hier nicht.