Praktikerverfahren: Scheiden tut weh…

06.02.2023
Author wevalue AG
Categorie Allgemein

Den vom Bundesgericht am 24.11.2022 verhandelten Sachverhalt umweht ein Hauch von «Soap Opera»: Erfolgreiche Kieferorthopädin und mittelloser (aber Ferrari fahrender) Automechaniker lassen sich scheiden. Neben anderen Dingen ist der Wert der Praxis und der Autogarage streitig.

Sachverhalt

Die in den Vorinstanzen vorgelegten Bewertungen führen im Ergebnis zu einer Ausgleichsverpflichtung der Ehefrau an ihren Ehemann von zunächst TCHF 217 (Kantonsgericht), dann TCHF 211 (Obergericht). Vor dem Bundesgericht beantragte die Beschwerdeführerin, diese mit lediglich TCHF 7 anzusetzen.

Im Kern hatte das Bundesgericht die Frage zu beantworten, ob und inwieweit die Personenbezogenheit des kieferorthopädischen Unternehmens bei dessen Bewertung ausreichend berücksichtigt wurde. Konkret wurde dieses Unternehmen mit dem Praktikerverfahren bewertet, wobei – um eben diesem Umstand Rechnung zu tragen – der Substanzwert mit 90% und der Ertragswert mit 10% angesetzt wurde.

Personenbezogene Komponenten sind zu berücksichtigen

Das Bundesgericht hat diesem Vorgehen mit bemerkenswerter Klarheit eine Absage erteilt. Zunächst wird festgestellt, dass im vorliegenden Fall der Verkehrswert zu ermitteln sei (Art. 211 ZGB). Weiter wird zutreffend ausgeführt, dass dabei ein Verkauf des Unternehmens unterstellt wird. Damit ist bei der Bewertung auch nur die übertragbare Ertragskraft zu berücksichtigen. Die personenbezogenen Komponenten dürfen dabei keine Berücksichtigung finden.

Praktikverfahren methodisch unzulässig und willkürlich

Im Ergebnis erteilt das Bundesgericht dem Praktikerverfahren für Zwecke der Verkehrswertermittlung eine Absage, denn diese «ermittelt den Ertragswert indes unter Einschluss der Leistungen des Unternehmers bzw. der Unternehmerin, weshalb sie im vorliegenden Kontext als ungeeignet erscheint». Einen nur ungefähren Betrag für das Unternehmen anzunehmen, ist «methodisch unzulässig» und der so ermittelte Verkehrswert «willkürlich» (E.3.3.4).

Das Urteil hat über den entschiedenen Fall für alle Situationen Bedeutung, in denen der Verkehrswert eines personenbezogenen Unternehmens zu ermitteln ist. Dabei handelt es sich um rechtlich erforderliche Bewertungen (Güter-, Erb- und Gesellschaftsrecht), aber auch steuerlich relevante Sachverhalte (etwa bei der ungeplanten Realisierung von stillen Reserven) oder Bewertungen aufgrund eines Aktionärbindungsvertrags (ABV). Den Verkehrswert mit dem Praktikerverfahren zu bestimmen, dürfte nicht sachgerecht sein.

Liquidation als zu prüfende Alternative

Wie konkret die nur übertragbare Ertragskraft bestimmt und bewertet werden kann, haben wir an anderer Stelle ausgeführt. Dass auch das Bundesgericht in seinem Urteil darauf Bezug nimmt, freut und bestätigt uns.

Ergänzend sei hier nochmals der Hinweis gegeben, dass gerade bei personenbezogenen Unternehmen der Liquidationswert stets als Kontrollwert gerechnet werden sollte. Bleibt vom Unternehmen nach Abzug des/der Unternehmers/in nichts mehr übrig, wird für die Bewertung die Liquidation unterstellt werden müssen.

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