Unternehmensbewertung und Rechtsprechung
Hinweise für die Bewertungs- und Beratungspraxis
Unternehmensbewertungen sind nie zweckfrei. Unternehmen werden bewertet, um Vermögen zu bestimmen (Kauf, Verkauf oder Steuern), Ansprüche zu begründen (Abfindungen oder Ausgleichszahlungen) oder finanzielle Entscheidungen zu fundieren (fairness opinion). Bei Streit über den Bewertungsanlass werden i. d. R. auch die Unternehmensbewertungen Gegenstand des Verfahrens. Immer häufiger befassen sich Schweizer Gerichte mit Unternehmensbewertungen. Der folgende Beitrag gibt einen synoptischen Überblick über Fragen bei gesetzlich erforderlichen Bewertungen und dazu ergangener Rechtsprechung.
Ausgangspunkt: Methodenpluralismus oder Beliebigkeit?
Unternehmensbewertung ist die Königsdisziplin der betriebswirtschaftlichen Beratung. Unternehmensbewertung ist auch eine Rechtsfrage, die zwischen Ökonomen und Juristen arbeitsteilig beantwortet wird: «Der Sachverständige muss Unternehmensbewertung nicht bloss kennen, sondern können; der Richter hat sie zu verstehen, sonst kann er sie nicht prüfen, bestätigen oder verwerfen». Dabei hat sich der Richter «Zurückhaltung aufzuerlegen und nicht sein Wissen über das Fachwissen der Experten zu stellen, sondern sich im Allgemeinen auf die Prüfung von offensichtlichen Widersprüchen in der Expertise zu beschränken». Unternehmensbewertungen werden damit idealiter zum «Begegnungsfach», häufig aber zu einer Frage, «die in den Fugen und Spalten zwischen den Disziplinen zu versinken droht».
Bundesgericht anerkennt verschiedene Verfahren
Das Bundesgericht hat – soweit erkennbar – bis anhin keine Bewertungsmethode rundheraus als ungeeignet abgelehnt. Akzeptiert wird grundsätzlich jede Bewertungsmethode, die «nachvollziehbar, plausibel und anerkannt ist, in vergleichbaren Fällen verbreitete Anwendung findet, begründetermassen besser oder mindestens ebenso bewährt ist wie andere Methoden und den Verhältnissen im konkreten Einzelfall Rechnung trägt».
Grundsatz der Zukunftsbezogenheit
Dieser Methodenpluralismus bedeutet jedoch nicht Beliebigkeit. Die in der Praxis zu beobachtende Hinwendung zu zukunftsorientierten Bewertungsverfahren (Zukunftserfolgsverfahren wie DCF- oder Ertragswertverfahren) zeichnet auch die Rechtsprechung nach: Danach ist der «Grundsatz der Zukunftsbezogenheit aller Bewertungsfaktoren anerkannt. Die Vergangenheit liefert nur Erfahrungswerte». Weiter wird vermutet, dass «der Einsatz neuerer Methoden, etwa der DCF-Methode, zu einer treffenderen Bestimmung des Werts» als bspw. das Praktikerverfahren führt. Die Grenze wird dort gezogen, wo Bewertungen «grundlos von in der Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abweichen».
Fachmitteilung Unternehmensbewertung von KMU
Unternehmensbewertungen werden in der Schweiz – ähnlich wie in Deutschland und Österreich – ganz überwiegend von Wirtschaftsprüfern und Rechnungslegungsexperten durchgeführt. Anders als dort gibt es allerdings in der Schweiz bis anhin keinen verbindlichen Standard zur Unternehmensbewertung. Die in 2018 verabschiedete «Fachmitteilung Unternehmensbewertung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)» der EXPERTsuisse (FM 2018) ändert dies. Zwar handelt es sich qualitativ um keinen verbindlichen Standard, aber zumindest um einen Rahmen, innerhalb dessen die Lösung des jeweiligen Einzelfalls im Ermessen des Bewertenden liegt. Weiter besteht die Vermutung, dass eine an der FM 2018 ausgerichtete Unternehmensbewertung auch ordnungsmässig ist.
Wir nehmen dies zum Anlass, auf Besonderheiten bei gesetzlich erforderlichen Bewertungen hinzuweisen und einschlägige Rechtsprechung vor dem Hintergrund der Bewertungspraxis und der FM 2018 zu erläutern.
Lesen Sie hier den vollständigen Beitrag aus dem Anwalts Revue 8|2018.